Ohne auf das Wahlsystem in Deutschland, die Fünf-Prozent-Hürde und die Parteienfinanzierungen dezidiert einzugehen, bleibt festzustellen: So etwas wie der andauernde Absturz der SPD in der Wählergunst ist ungewöhnlich. Denn wie bei den Wahlen zum Europaparlament bedeutet in Deutschland eine Regierungsbeteiligung vom System her erst einmal einen Vorteil bei Wahlen.
Wer (Gesetze) schreibt, der bleibt?
Volksparteien zeichneten sich von jeher dadurch aus, dass sie sowohl lokal als auch auf Landes- und Bundesebene genug Personal, Ämter und Einfluss hatten, um sich weitere Regierungsbeteiligungen über einen Zuspruch von über zwanzig Prozent quasi zu sichern. Fast wie das Mehrheitswahlrecht in Großbritannien sollten so „Weimarer Verhältnisse“ abgewendet werden, hieß es. Niemand außer den Grünen oder der FDP hat es dadurch aber auch jemals neben den Parteien der aktuellen Großen Koalition in die Bundesregierung geschafft. Dies prägt Wahlkämpfe, Besetzungen von Talkshows sowie Schlagzeilen und Clickzahlen bei Aussagen einzelner Politiker. Die parlamentarische Opposition kann aber auch profitieren, wenn sie es schafft, Themen zu (be)setzen, über ihre jeweiligen Medien und die ihrer Anhänger und Gönner.
Kampagnen, Lobbys, Geschenkpackungen
Themen, aber auch Köpfe und das Schaffen von Fakten bestimmen Wahlkämpfe: War Schulz zu sehr eine Mischung aus Brüssel und Provinz? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen unterstützen oder bremsen Partei-Freunde im In- und Ausland? Wie schaffen es andere Staatsregierungen, Nichtregierungsorganisationen, Konzerne und Lobbygruppen permanent, Themensetzungen und somit Wahlkämpfe zu beeinflussen? Manchmal entpuppt es sich als Wahlgeschenk an eine Partei, dass ein prominenter Kontrahent genau im Wahlkampf in einen Skandal verwickelt ist. Oder es gibt plötzlich Firmenansiedlungen in Bundesländern, mit denen nicht wirklich zu rechnen war. Gerade, aber nicht nur bei Bundestagswahlen, sind Einflüsse von Großkonzernen, Medienmogulen und auch überstaatlichen Zusammenschlüssen relevant für Wahlentscheidungen. Gewerkschaften spielen eine Rolle. Aber eben auch Entscheidungen in Washington, Moskau, Ankara und im NATO-Hauptquartier. Auf diesem Niveau mitzuspielen fällt Parteien mit Regierungsbeteiligungen leichter als denen ohne. Auch daher fällt oft das Wort von der „Regierungsfähigkeit“, und die Wähler müssen schon sehr überdrüssig sein, um eine Regierungskoalition ganz auszutauschen – wie die letzte unter Kohl.